Carola Bauckholt

00’00   Eleni: Hello
Carola: Ja! Äh, ich bin Carola Bauckholt, und ich hörte von Harry Partch über den Komponisten Caspar Johannes Walter schon sehr früh, und hörte live das erste Stück von Harry Partch in dem öh Kongress in Stuttgart über Mikrotonalität – ich weiß nicht mehr wann das war – da spielte auf jeden Fall auf der adapted Viola der Musiker, den ich gerade vergessen habe, also der Original vom Partch Ensemble spielte aus den Liedern. Und in dem Moment hatte ich das Gefühl, ich hab verstanden, warum Partch sich dieses System entwickelt hat, warum er das alles getan hat. Weil die Sprache eigentlich sein Ausgangspunkt war. Und öh, da konnte ich anknüpfen weil ich sonst eigentlich weder harmonisch noch tonal denke, und eigentlich überhaupt nicht Pitch-bezogen schreibe, und deswegen eigentlich gar keinen Zugang zur Mikrotonalität habe, aber ich arbeite natürlich mit Sprache. Und es war immer mein Traum, Sprache zu instrumentieren. [Mach ich mal eben Stopp, weil ich weiß nicht, soll ich dich angucken oder die Kamera angucken / Mich, oder die Kamera, mich / Also die Leute, dich / Ja ist besser, und dann bist du nicht fokussiert.. / jajajaja ok gut] (1’40) ähm, Sprache. Ja, also ich hatte hab jetzt gesagt, ich hatte immer vor, soll ich das jetzt nochmal sagen? Wie hieß denn der Interpret, der adapted Viola? / ääh, jetzt spielt David Ekkard / neinnein, das war einer vom Partch Ensemble.. / John Snyder vielleicht? / Ja! John Snyder. Wo soll ich das nochmal sagen? Nö. Das ist egal wenn der Name grad nicht einfällt. Äh John Snyder. Ja und dann war das große Projekt von den von der Musikfabrik, die Instrumente nachzubauen. Und da war ich natürlich wahnsinnig neugierig, ich hörte Delusion of the Fury, ich hab das erlebt, da bin ich nach Genf gefahren, war völlig fasziniert, es ist wirklich sehr sehr wichtig gewesen, dass dieses Stück nach Europa kam. Also ich glaube das war ein Schlüsselerlebnis für meine Generation also, weil wir das sonst, sonst ist Harry Partch, es gibt das Buch und es gibt alte Aufnahmen, aber da ist er wirklich lebendig geworden. Ja, und weil ich mich ja sowieso viel mit Klangkörpern beschäftige, ähm, hatte ich eigentlich n unmittelbaren Bezug zu den Instrumenten und konnte dann in der Musikfabrik die Instrumente in die Hand nehmen selber.
E: Warst du schon mal eingeladen während des Bauprozesses oder?
C: Ne, ähm, ich wurde gefragt, buff ich, es war während Delusion of the Fury gespielt worden ist, ich glaube da wusst ich schon, dass sie sowas vorhaben, deswegen bin ich auch extra hingefahren, sonst hätt ichs wahrscheinlich garnicht mal geschafft. Und dann kam eben der Auftrag von Herrenhausen, äh, für Herrenhausen da tatsächlich schreiben zu dürfen. Ja und dann begann sozusagen so eine Try-Out session mit einigen Komponisten in der Musikfabrik und den Leuten von der Musikfabrik, was wahnsinnig wichtig war. Also so n Crycort (?) zu Beispiel, das mit der einen Seite, das muss man einfach in der Hand haben, um ein Gefühl dafür zu haben. Und am liebsten hätte ich die Instrumente mit nach Hause genommen, weil das kann man nicht in ner Stunde begreifen. Und so hat Partch ja auch gearbeitet. Die sind ja, die Musiker sind ja gewachsen (04’08) mit diesen Instrumenten das ist einfach bei sowas wirklich wichtig. Ja, also nach den Try-Outs ähm saß ich dann zu Hause am Tisch mit den Gegebenheiten und ich hatte mir jetzt wirklich vorgenommen die Sprachmelodie zu instrumentieren und das war ein wahnsinnig schwerer und langfristiger Prozess. Weil mans eben nicht hören kann, weil mans nicht spielen kann, also so viel Spekulation ist dabei und weil das Sujet so schwierig ist. Ich hab mich ähm ich hab al-d-natürlich kenn ich die Stück von Peter Ablinger (?), wo er die Stimmen spektral ähm umsetzt und dann hab ich auch mich lange gefragt, welche Stimmen, welche Texte und mir gehts eigentlich in meinen Stücken immer darum dass die Texte, oder dass die Topics keinen, kein Gewicht haben. Also Peter Ablinger hat ja wirklich Stimmen genommen, die haben eine wichtige historische Bedeutung und ich wollte davon von der Wert der Stimme eigentlich nicht profitieren ich liebe das unwichtige, das spornt mich viel mehr an, was zu tun, weil dann bin ich gefragt, ich muss daraus was machen, sonst ist das Ding schon fantastisch, braucht irgendwie gar keine Kunst mehr, oder ich fühle mich dann nicht potent sozusagen, aktiv zu werden. Und dann hab ich tatsächlich sehr lange gesucht nach Zufallsfunden, die irgendwie charakteristisch sind, hab versucht aufzunehmen, aber man hört wunderbare Sachen, da hat man das Mikro nicht dabei (6’02), es ist nicht wiederholbar, und so weiter. Es ist wirklich schwer, gute Texte zu finden und dann hab ich in äh gesucht, im Internet, da gibt es zum Beispiel ein äh rheinisches Archiv für Dialekte. Also ob Aachen, oder Köln, oder Düren [lacht] die verschiedenen Melodien. Und da fand ich einen ganz wunderbaren Text von einem kölscher Jung, äh der mit so einer schönen Melodie die Geschichte erzählt, wie seine Familie den Angelschein macht. Und äh in diesen in dieses Dokument habe ich mich verliebt und äh hab dann versucht das zu renotieren. Ich habe nicht die guten Kontakte, das zu finden, äh ich hab mit verschiedenen Softwares proble- probiert aber man schafft das nicht wirklich, das ist so schwer, da hab ich mir auch die Zähne ab- ausgebissen, weil die Sprache ist so lebendig, das ist so nuanciert, also das ist echt das allerschwerste zu transkribieren. Ja und das hab ich versucht, und dann eben auch in die Instrumente zu bringen, transportieren. Und n eine weitere Herausforderung war die Partch Instrumente zu kombinieren mit normalen Instrumenten. Das ist zwar für die Wiederauffürbarkeit absolut selbstmörderisch [lacht] aber es war n ganz interessanter Ansatz, zum Beispiel das Bu (?) öh mit den schönen Bambusrohren, hat ja so einen tollen Klang und dazu die Bassblockflöte. Das sind ja beides Rohre die so n gedeckten, hauchigen Klang haben äh passt sehr gut zum stimmlichen Duktus. Das eine ist geblasen, das andere ist geschlagen. Also solche Kombinationen zu finden, war dann eben auch spannend. Ja. Natürlich musste die Stimme von Harry Partch auch rein (8’20), weil sie einfach einmalig ist. Also er singt ganz besonders, auch und er hat ja selber darüber gesprochen auch öh dass er, er hat selbst ja weiß nicht, ähm die die Obdachlosen abgehört, er hat sie nicht aufgenommen, er hat sie einfach mit dem Ohr abgehört und aus der Erinnerung aufgeschrieben, woraus er seine schönen Songs machte. Also deswegen hab ich mich verwandt gefühlt mit diesem Aspekt.

08’55   E: Ok und ähm was ich fragen wollte ist wie realisierbar war das wenn du das auf Papier bringen solltest? / Wie realisierbar? / Ja genau wie bist du mit den verschiedenen Tonhöhen, die Geigen brauchst öh brauchtest du alle 43, hattest du ein selber, ein System selber entwickelt, das du vielleicht nur Vierteltöne [unverständlich] machen sollst, oder ?

09’25   C: Ja also beim Arbeitsprozess war das Chromelonium – nochmal – also beim Arbeitsprozess war das Chromelodeon das wichtigste Instrument. Weil dort sind sie einfach offensichtlich abrufbar, die Töne, und ich hab dann später auch festgestellt die Musikfabrik hat auch immer sich auf das Chromelodeon bezogen. Das war sozusagen der Tuning-Point, weil natürlich die Instrumente mussten die Tonhöhen adaptieren, das war also relativ schwierig für sie, aber mit dem Chromelodeon ging es gut. Und super ist diese Software gewesen, wo wir das Chromelodeon online ausprobieren konnten, das hab ich sehr viel benutzt. Und hab dann dieses Raster genommen und mit diesen Tönen die Stimmen transkribiert, ja.
E: Und welches Notationssystem benutzt du?
C: Ja ich habe das doppelt gemacht, ich hab also einmal das ganz gewöhnliche System benutzt und mit den Vorzeichen / ok wie viele Vorzeichen? / Phhh, wie viele Vorzeichen.. muss ich nochmal gucken, gucken, wie viele pitches hab ich denn da, stimmt ist garnicht drin in den zeichen ich glaub ööööh, wie viel Vorzeichen.. Ja also Caspar Johannes Walter hat ja hervorragende Listen angefertigt / Ok, das ist die, du hast genau dasselbe System benutzt, das ist mit Vierteltöne, Sechsteltöne, mit ääh zwei Pfeile und zwölf / ganz genau / mit ein Pfeil / ganz genau / ja. / also ich habe die Vorlagen, die er ausgearbeitet hat als mein Arbeitsmaterial benutzt und s war natürlich auch ne super Hilfe. / ok gut gut und / und ich habe in die Partitur gleichzeitig auch die Proportionen geschrieben, also doppelt sozusagen. Einmal die gewöhnliche Notation, was man hört, und dann die Notation von Partch. / ok. Zur Tabulaturnotation plus Klangresultat plus die Ratios? / ähm, ne nicht die Tabulatur. Die hab ich gar nicht geschrieben. Ich habe nur das Klangresultat, also ich hab nur das Klangresultat und die Ratios. / und war das einfach zu spielen? Ohne… / Jetzt nochmal die Ratios sind doch die 16 zu 11, 20 zu 11, das sind die Ratios, ne? Ne ich hab gar keine Tabulatur benutzt. / ok. Und wie war das für die Instrumentalisten eigentlich? / Also das war okay, weil die Ratios sind wichtig für das Chromelodeon, / ok / um das die Töne finden, und die gewöhnliche Notation ist wichtig, damit wir wissen, was wir hören wollen. S war eigentlich gut / ok. Und zu den Saiteninstrumente wie die Kitharras war das nicht schwierig zu finden welche Saite die spielen sollen? / Also die Kitharras, wie hab ich die notiert – jetzt musst du mal irgendwie Pause machen, weil ich das wirklich nicht mehr – die kommen zum Beispiel, als Partch da, ogott dieses Stück hat mich so viel Zeit gekostet (Pause). (12’50) Ich habe Klang. Ich hab immer Klang, ah moment, da sagst du was. Ich habe in der Partitur Klang notiert, / m-hm / jetzt muss ich doch nochmal in die Stimmen kucken / ok in die Stimmen / was ich denn, gott ist da viel drin im Ordner, ähm, wo sind denn die Stimmen, ah hier zum Beispiel, da ist der Karl, öh, Stimmen, hier. Und jetzt willst du zum Beispiel die Kitharras, ah ja, ne, Notation, wo kommen denn mal Töne, okay, ja also die Partitur ist geschrieben, wie mans hört und für die Kitharras hab ich Tabulatur geschrieben. / ok. Aber die Stimme nur. / Nur die Stimme. / ok / Und zwar ich habe tatsächlich nur Tabulatur ge-, die geschrieben, die wussten also nicht, was rauskommt, mussten dann immer in die Partitur kucken. Aber natürlich will man so wenig wie möglich Papier haben. Insofern war das ne gemeinsame Entscheidung, wirklich nur die Tabulatur zu schreiben.

14’24   E: Und eeh wie war deine Erfahrung nach der Aufführung? Oder was für Feedback hast du bekommen, würdest du das nochmals machen, hattest du defekte Seiten, Aspekten von den Partch Instrumenten entdeckt?  
C: Ähm, also die ganze Arbeitsweise war natürlich sehr spannend, ich hatte eigentlich vor, dass zum Beispiel ähm die Texte leiten, also dass das Ganze dirigiert werden musste, okay weil das Ensemble zu groß war, aber es ist immer das Problem, mit dem ich zu kämpfen haben wenn ich ein Sample habe mit Text, und ich hab die Notation. Die stimmt nie hundertprozentig, weil man will es ja auch nicht komplizierter machen, man wills ja lesbar haben. Aber Dirigenten möchten sich nicht adaptieren an Texte, sondern sie wollen es so haben, wie es da steht, und zwar ganz präzise. Den Konflikt habe ich schon oft gehabt. Also ich kann verstehen, ein Dirigent will die Musik bringen und will sich nicht anpassen auf ein Sample – warum denn nicht? Es ist ein furchtbarer Konflikt. Und auf der anderen Seite, ich könnte nur Text schreiben, also nur Worte schreiben, eben nicht rhythmische ausnotieren, dann wär klar, dann müssen sie sich anpassen. Aber ich hab das jetzt alles notiert die Texte, unscharf, mit der gewissen Unschärfe, die immer bleibt, ähm, tja vielleicht würd ich in Zukunft das nicht mehr, würd ich wirklich nur Text schreiben, dann ist jeder gezwungen zuzuhören und out-of-timing kommen. Also ich würde das vielleicht mehr so, aber es ist irgendwie ein, ein furchtbar schwerer Zustand weil man will ja auch das Synchronspielen ohne öhm Klicktrack oder sowas (16’41) und dann muss mans in die Notation bringen und gleichzeitig die Strenge der Notation plus die Offenheit der, des Zuhörens, also s-, wenn man miteinander musiziert, dann hört man sowieso zu, aufeinander. Aber die Partitur schießt da schon ganz schön, ganz schön sperriger Brocken dazwischen, sozusagen. Also es war extrem schwierig, würd ich sagen. Ich bin, ich bedauere, dass ich keine einfachere Lösung gefunden hab.
E: Hattest du aber jemanden der die Samples abgespielt hat, oder? / ja. / und äh zu Zeit, er hat auch dem Dirigent gefolgt mehr oder weniger / ja / [unverständlich] ok / m-mh / das war immer so, bei den Proben auch so?
C: Jaja, also das triggern der Samples ist kein Problem, aber wenn die dann laufen, und man hat n differenziertes Geflecht musikalisch, wie das zusammenpasst, da hab ich, muss ich sagen, keine geniale Lösung gefunden.
E: Es gibt keine geniale Lösung / mmmh / für solches denke, nur mit Klick, dann kannst du das genau haben aber das ist ein bisschen mechanisch auch, weiß nicht. Und, fasziniert von den Instrumenten, oder denkst du, dass es nicht gebraucht ist, die auf die Bühne zu bringen?

18’00   C: Oh, ich war sehr fasziniert von den Instrumenten, das ist ein fantastischer Klang. Das ist n einzigartiger, fantastischer Klang. Ähm, natürlich ist es ein bisschen frustrierend, dass das Stück nicht mehr gespielt wird (lacht), weil ich meine wenn wir das spielen, das ge-, das Ensemble kann es spielen, man braucht einfach die Instrumente, es das Problem von Partch. Ähm und ich denke es wäre vielleicht zukunftsträchtiger gewesen, wenn ich Kammermusik gemacht hätte. Wenn ich ne kleinere Besetzung gemacht hätte. Ich glaube auch dass ein Ensemble oder ein wirklich, also sagen wir mal bis maximal fünf Leute, drei bis fünf Leute, für diese Angehensweise der Arbeit mit Sprache besser geeignet ist als dieser große Apparat. Weil das braucht einfach so viel ja kammermusikalische ähm Qualitäten und durch den Dirigenten ist es einfach nochmal viel schwieriger. / So kleiner und ohne Dirigent. / m-hm / ok. / Aber das wäre, is jetzt nicht, also ich bin glücklich, dass ich das Stück so geschrieben hab, das hat mir auch zwei Jahre gekostet, ich habs wirklich sehr sehr ernst genommen und ähm, sehr ausgearbeitet und damit gekämpft bis zum Gehtnichtmehr. Und ich würde jederzeit wieder, aber dann kleiner besetzt arbeiten. Und ich glaube darin liegt auch n bisschen die Zukunft, dass man, ähm, ja, es gibt, dass man ein oder zwei Instrumente nimmt, nicht die ganze Palette, weil ich mein das hat Partch gemacht und er hat das großartig gemacht und ich finde den Aspekt der Mischung sehr gut, also Partch plus normale oder andere Instrumente, das finde ich sehr schön. Hat viel viel Potential. Und die Kammermusik. / gut / ok / wenn du ein letztes Kommentar machen möchtest, darfst du gerne, sonst sind wir durch. / joa / danke! / ja, super, ja ich bin wirklich weit…